Leseprobe:
Peter Reutterer: „Am Thayastrom“. Thaya-Tiber-Tod. Kriminalsatire. - Bibliothke der Provinz, April 2014
Im Verhältnis zwischen Autor und Verleger betrifft das Attribut der Verrücktheit beide Teile des Produktionsverhältnisses. Der überwiegende Teil jüngerer Bevölkerungsschichten hält die Literaturszene für blanken Anachronismus. Dessen ungeachtet werden die Jugendlichen von ihren Deutschlehrern zum Lesen schöner Literatur gezwungen, was sie mittels Wikipedia zu umgehen suchen. Ob ich denn wüsste, welchen Ruf ich in der Szene hätte, eröffnete mein resoluter Verleger sogleich den Disput. Er aber wäre wild entschlossen, dieser Nachrede, ich schriebe erotisch monoman, entgegen zu arbeiten. Er, Reinhard Fricke, müsse sich nämlich um das Renommee seines Verlages sorgen, er jedenfalls hätte einen guten Ruf zu verlieren. Und er würde keinen Autor mehr publizieren, den man hinter vorgehaltener Hand als Pornographen abtue. Der Schwall massiver Vorhaltungen hatte mir zunächst die Sprache verschlagen. Bevor ich mich vom ersten Punch erholen konnte, traf mich der zweite. Fricke knallte mein Lyrikmanuskript auf die Tischplatte und eliminierte lautstark schimpfend alle Gedichte, die sich irgendwie auf Liebe oder die Schönheit von Frauen bezogen. Wild gestikulierend stopfte Fricke die verworfenen Gedichte in den Papierkübel, der bald durch die große Menge entsorgter Liebesgedichte überzuquellen drohte. Mein Liebesatem ganz augenscheinlich verwerflich. Kurz überlegte ich, darauf zu verweisen, dass ich auch über den Tod ebenso viel wie über die Liebe gedichtet hätte, aber auch damit macht man in einer reaktionären und amüsierwütigen Medienlandschaft keinen Staat.